Die Welt auf eigenen Wegen erkunden
28. Oktober 2018Identifikation durch Vorbilder
Die SS Rotterdam ist das größte Passagierschiff, das jemals in den Niederlanden gebaut wurde. Zwischen 1957 und 1971 brachte das Schiff im Dienste der Holland-Amerika-Lijn Passagiere von Rotterdam nach New York und zurück. Ab 1971 wurde die Rotterdam auf Kreuzfahrten rund um den Globus eingesetzt. Das Schiff und die ca. 780 Mann starke Besatzung standen über Jahrzehnte unter der Führung von Commodore De Jong. Und von der Führungswirkung dieses Commodores habe ich kürzlich Erstaunliches erleben dürfen.
Ich war neulich in Amsterdam um einen guten alten Freund zu besuchen. Wir haben uns Anfang der 80er-Jahre auf den Bermuda Inseln kennengelernt, als wir in Richtung Azoren auf unserer Atlantiküberquerung unterwegs waren – er als Skipper der ‚Sandetty‘ und ich gemeinsam mit meinem Vater auf der ‚Marina‘.
In Amsterdam erzählte mir mein Freund, dass er einer der Söhne von Commodore De Jong ist und er schlug vor, nach Rotterdam zu fahren um dort auf der SS Rotterdam zu Mittag zu essen. Das Schiff liegt als Museums- und Restaurantschiff an einem Pier im Hafen.
Von dem Moment an, in dem wir einen Fuß aufs Schiff setzen, bis wir uns ein paar Stunden später wieder verabschiedeten, wurden wir von verschiedenen älteren Herren an Bord begrüßt, geleitet, informiert, verabschiedet. Auf jedem Deck, in jedem Gang, an diversen „Information Points“ trifft der Besucher auf die sehr freundlichen uniformierten Herren. Sie weisen den Weg, geben Orientierung und erzählen nur zu gerne, meist mit leuchtenden Augen, von ihren Erfahrungen an Bord.
Diese „Guides“ gehören zur ehemaligen Crew von Commodore De Jong. Sie üben diesen Job meist ehrenamtlich oder für ein nur symbolisches Salär aus, aus Identifikation mit „ihrem“ Schiff, aus Loyalität „ihrem“ Captain und sicherlich auch in sehnsüchtiger Erinnerung an alte Zeiten.
Mich hat beeindruckt, mit welchem Herzblut diese älteren Männer ihre Sache machen. Wie kann es sein, dass sie sich nach so vielen Jahren noch so verbunden fühlen mit ihrem Schiff, mit der Crew, mit dem (bereits verstorbenen) Skipper? Wie hat der Commodore geführt, um dieses Ausmaß an Identifikation zu bewirken? Was hat er anders als andere gemacht?
In letzter Zeit habe ich diese Begebenheit einigen Business Coaching-Kunden erzählt. Ich habe sie zu einem Gedankenexperiment eingeladen: Stellen Sie sich vor, Ihre Mitarbeiter sind 70, 80 Jahre alt und schon einige Jahre im Ruhestand. Was werden Sie erinnern aus der Zeit unter Ihrer Führung? Was werden Sie rückblickend gelernt haben? Inwiefern werden Sie zu Ihrer professionellen und persönlichen Entwicklung beigetragen haben?
Auf welche Weise werden Sie sie inspiriert haben?